Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Johanna Wagner. Ihr drittes Buch Verlauf‘ dich nicht ist ein „Wegweiser für ein einfaches und bewusstes Leben“.
Während wir den materiellen Ballast relativ einfach abwerfen können, ist das innere Aufräumen ein Prozess. Wenn Dir manchmal alles über den Kopf wächst, obwohl Du einfach und bewusst lebst, Deine Wohnung sortiert und Dein Tag klar strukturiert ist, hast Du bislang vielleicht diesen Aspekt des Reduzierens vernachlässigt.
Der Reizflut von außen einen Staudamm bauen
Ich liebe das Ausmisten und die dadurch entstehende Klarheit. Wenn man die Dinge bewegt, bewegt sich etwas, das habe ich schon oft erfahren. Für mich greift eine einfache Lebensweise aber inzwischen tiefer. Spätestens, wenn alle Schränke sortiert und alles Gerümpel entfernt ist, lohnt es sich, mit dem Ausmisten eine Etage tiefer zu gehen – nicht in den Keller, sondern in sich selbst hinein – um dort mit dem Minimalismus zu beginnen: Wir können materiell unseren Körper und immateriell unseren Geist entgiften, also auch das sortieren, was wir nicht sehen. Was sich Tag für Tag nicht vor, sondern hinter unseren Augen abspielt: Unsere Gedanken.
Indem wir alte Glaubenssätze gehen lassen, der Reizflut von außen mal einen Staudamm bauen und überprüfen, was die innere Stimme uns suggeriert, sorgen wir für Minimalismus im Kopf. Das bedeutet, diesen als Wohnung des Geistes zu begreifen und auch hier Schritt für Schritt zu ordnen. Wahrnehmen, beobachten und hinterfragen: Was brauche ich eigentlich von dem, was sich dort oben abspielt? Was tut mir gut? Und: Habe ich überhaupt noch den Durchblick, oder blicke ich längst durch alles hindurch, weil ich in meinem Kopf noch nie wirklich aufgeräumt habe?
Ununterbrochen saugt er Reize aus der Außenwelt und unserer inneren Welt auf, während wir nur selten seinen Teppich saugen. Wenn sich längst Überholtes als Staub ablagert, wir voll gedankenloser Gedanken und unsere Muster zum Müssen geworden sind, lohnt es sich, auch in unserem Geist zu reduzieren und uns aufs Wesentliche zu zentrieren. Nur wer einen Fokus – Ruhe und Ordnung im Kopf hat, kann beherzt handeln.
Es folgen vier Ideen, wie Minimalismus anstelle von Überfluss in die Wohnung des Geistes einzieht.
1. Die Haustür schließen // Den Input reduzieren
Smartphones, Internet, TV und Werbungen werfen ständig ihre Netze aus, um unsere Aufmerksamkeit zu fesseln und neue Bedürfnisse zu entfachen. Ungefragt prasselt auf uns ein, was uns oft nicht einmal interessiert. Klar ist die Welt oft reizvoll – doch manchmal ist sie nur voller Reize. So, wie Deine Wohnung nur aufgeräumt ist, wenn Du sie putzt, wird unsere Welt nur dann leise, wenn wir dafür sorgen.
Zu Hause lassen wir die Tür ja auch nicht für jeden offenstehen. Und genauso braucht unser Kopf den Rückzug. Sei es, indem wir die Türen schließen und mit geschlossenen Augen und Ohren mal nur uns selbst zuhören oder bewusst wählen, womit wir unsere Sinne füttern. Multitasking ist Chaos für den Geist; Singletasking ein Geschenk. Beschenke Dich und füttere Deine Sinne nicht wahllos, sondern gewählt.
Tipp für Minimalismus im Kopf: Schalte ab und schalte ab. Entwickle medienfreie Zeiten als Ritual und reduziere so den feinstofflichen Müll. Nur aus der Stille kann Großes wachsen und in der Ruhe Erlebtes sich ordnen.
2. Geländer abbauen // Alte Glaubenssätze loslassen
Glaubenssätze sind einst gelernte und für richtig erachtete Strukturen, die unserer Wahrnehmung eine Zeitlang als Gerüst dienen, die Wirklichkeit jedoch später oft verzerren. Während wir sie als Kind beim wackeligen Versuch das Laufen und Leben zu lernen zum Festhalten brauchten, stehen wir heute sicher auf beiden Beinen – und halten uns dennoch am Überholten oder Unwahren fest. Dabei sind wir frei! Wir dürfen die Geländer und Gerüste abbauen. Platz schaffen. Freiheit neu erfinden. Und dann uns selbst. Und unseren eigenen Weg ganz ohne Geländer selbstbewusst gehen.
Indem wir unsere Gedanken-Gänge erkennen, können wir unsere Kopf-Flure sortieren – das ist Aufräumen im Kopf.
Tipp für Minimalismus im Kopf: Werde Dir Deiner Gedankenmuster und Glaubenssätze bewusst und lass sie los. Löse Dich von den Zwängen, die Dich einengen, ohne dass Du es bemerkst. Ersetze sie durch wohlwollende Affirmationen, durch einfache, klare und positiv formulierte Sätze, die Deine Entwicklung fördern und Dir im Heute entsprechen. Stelle dann fest, wie frei Du bist. Affirmationen können Dir helfen, Blockaden zu lösen und festgefahrene Gedankenstrukturen zu entfernen bzw. neue positive und inspirierende Gedankenmuster zu schaffen.
3. Das Licht anmachen // Die Sorgen ausschalten
Im Modus des Autopiloten fahren wir oft ohne Licht durch das Leben. Ein Vorurteil hier, eine negative Annahme dort; hier ein Vergleich und dort eine pessimistische Erwartungshaltung. Viele unserer Gedanken wohnen als Sorgen in unserem Kopf – und ziehen nie aus. Das heißt, sie realisieren sich nicht, sondern machen es sich bei uns gemütlich. Sie warnen, hämmern Bilder oder bohren Gedanken in die Wände fest und lassen es ständig laut sein. Taub für anderes, sehen wir manchmal am Zauber des Lebens vorbei, weil die Sinne schon besetzt sind.
Eine minimalistische Geisteshaltung bedeutet, das Licht einzuschalten, damit es hell wird und wir mithilfe der Achtsamkeit zunächst sehen können, was in unserem Kopf vor sich geht. Ob ständiges Jammern, Grübeln oder Fordern: Wer immer anderes oder stets mehr will, übersieht das bereits Vorhandene. Sei dankbar für das, was ist. Hol Deinen Geist aus dem Keller heraus, öffne die Fenster, lass frischen Wind herein und zünde anschließend eine Kerze an, denn in einem erleuchteten Haus lebt es sich klarer und heiterer.
Tipp für Minimalismus im Kopf: Entscheide Dich, das Jetzt durch einen positiven Filter zu betrachten. Lass Vergangenes Dich prägen, aber nicht beherrschen. Wirf den psychischen Ballast ab, lass los, was Dir nicht guttut und steig in Gedanken zu den Sternen auf.
4. Die Schränke sortieren // Aufgaben notieren
Wie sich Kleidung, Magazine, Kinderspielsachen, Wollknäule usw. scheinbar ganz ohne unser Zutun in der Wohnung verteilen, verbreiten sich auch die Gedanken in alle Richtungen, wenn wir sie nicht sortieren. Hier eine unerledigte Aufgabe, da ein Termin; bis morgen ein Geschenk besorgen, sich sorgen, ob es den Freund pünktlich erreicht. Chaos im Kopf vermeidet Fokus im Handeln. Es hilft, alle Vorhaben zunächst aufzuschreiben. Schon das Notieren verschafft Freiraum und Entspannung, weil nun nichts mehr entfallen und unser Geist sich auf das augenblicklich Wichtige konzentrieren kann.
Tipp für Minimalismus im Kopf: Nutze ein kleines Buch und notiere darin die Dinge, die Du nicht vergessen möchtest – von der Einkaufsliste, über die noch zu tätigen Anrufe bis hin zum Songtext, den Du nach Feierabend bei einem Glas Wein mitlesen möchtest, während Dein aktuelles Lieblingslied läuft. Schreibe alles in das Notizheft. So entsteht kein neues Durcheinander durch viele kleine Zettel, Du vergisst nichts und kannst Dich später am Erledigten erfreuen. Vademecum (lateinisch: „Gehe mit mir!“) nennt man solch ein Büchlein, das in jeder Tasche Platz findet, sodass man es immer mit sich führen kann – ein Begleiter, den ich nicht mehr missen möchte.
Wer minimalistisch denkt, hat nicht weniger, sondern mehr im Kopf
Minimalismus im Kopf gehört für mich zu einem einfachen Lebensstil nicht nur dazu – jene Geisteshaltung ist inzwischen vielmehr der Anker zur Ausrichtung einer solchen Lebensweise. Sie erfordert Positionierung, Hinschauen und Arbeit und belohnt mit Entwicklung, Klarheit und Fokus. Nur wer innerlich aufgeräumt ist, kann das Chaos im Außen wahrnehmen – und andersherum. Mach Dich auf den Weg: Geh die Gänge Deiner Gedanken ab, sauge Staub, putz die Fenster und lüfte durch. Reduziere und werde dadurch viel mehr als Du schon bist: Viel mehr Du selbst. Mit viel mehr Raum, Durchblick und Übersicht.
Viel Freude dabei.
Johanna Wagner hat auf Einfach bewusst bereits die Gastartikel Wir sind doch nie zufrieden und Zurück zu den Wurzeln und mit den Händen mal wieder die Erde berühren veröffentlicht.
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Der Beitrag Minimalismus im Kopf – 4 Wege, die immaterielle Wohnung aufzuräumen erschien zuerst auf Einfach bewusst.